Instrumentelle Vernunft und Psychose
Vordergründig scheint die Instrumentelle Vernunft und die Psychose Gegensätze zu sein. Denkt man darüber nach, verschwimmen die Begriffe etwas. Aber fangen wir mal von vorne an. Was ist instrumentelle Instrument? Instrumentelle Vernunft ist ein Begriff der Frankfurter Schule, also Th.W. Adorno etc.. Kennzeichnend für die instrumentelle Vernunft ist, dass die Zielerreichung im Vordergrund steht, nicht aber das Ziel selbst. Problematisch ist das insofern, als es rationaler ist, ein rationales Ziel mit irrationalen Mitteln erreichen zu wollen, als ein irrationales Ziel mit rationalen Mitteln. „Ziel“ ist bei Th.W. Adorno und Co etwas vage als „Naturbeherrschung“ beschrieben. Darunter kann jetzt jeder verstehen, was ihm Spaß macht, letztlich also etwas, was dem Individuum Halt gibt, seinem täglichen Tun irgendeinen Sinn verleiht, diszipliniert, die Welt ordnet, Orientierung gibt etc.. Mythen, Religionen, der Aufklärung oder technischen Utopien ähnlich motiviert zu sehen, ist eigentlich naheligend und genau das tut Adorno und Co. Sein bekanntestes Essay heißt „Odysseus oder der Mythos der Aufklärung“. Das kann man jetzt kurz durchdeklinieren; verständlicher wird es, wenn man andere als die von Adorno / Horkheimer gewählten Beispiele nennt. Poseidon ein Opfer zu bringen, damit er ein Schiff nicht auf den Grund des Mittelmeeres schickt, ist höchst wahrscheinlich nicht besonders zielführend, hat aber instrumentellen Charakter und das Mittel ist höchstwahrscheinlich nicht zielführend, aber ein Versuch, die Welt beherrschbar zu machen. Die monotheistischen Religionen haben das Prinzip der Naturbeherrschung perfektioniert. Hat das auserwählte Volk bei seiner Reise ins gelobte Land mal wieder eine auf die Mütze bekommen, dann hat es irgendwo gesündigt und Gott war stinksauer und ist ihm in der Schlacht nicht zur Hilfe geeilt. Der Sinnstiftende, Halt gebende, Orientierung bietende Bezugsrahmen bleibt aber erhalten. Das auserwählte Volk braucht sich nur anständig zu benehmen, dann ist Gott auch wieder bei den Seinen. Ein strafender Gott ist also gar kein Problem, das stellt den Bezugsrahmen ja nicht in Frage. Ein echtes Problem wäre gar kein Gott, denn dann gäbe es auch keine Möglichkeit, eben selbigen zu besänftigen. Die Religion wird dann zwar zur echten Spaßbremse, aber diszipliniert ungemein, was wiederum wirtschaftlich sehr sinnvoll sein kann, siehe „Die protestantische Ethik und der Geist des Kapitalismus“ von Max Weber. Fazit: Das Individuum passt sich an den von ihm selbst geschaffenen Bezugsrahmen an, was zur radikalen Disziplinierung und zur Auslöschung des Subjekts führt. Mit Sex and Drums and Rockn’Roll wäre Odysseus, das ist ein Beispiel aus dem Essay „Odysseus oder der Mythos der Aufklärung“ den Sirenen verfallen. Er überlebt, weil er seinen Kollegen befiehlt, sich die Ohren zuzustopfen, damit sie den Gesang der Sirenen nicht hören und sich selbst an einen Mast binden lässt, so dass er nicht vom Gesang der Sirenen betört ins Meer hopsen kann. Die Stelle in Homers Epos ist einigermaßen suggestiv. Man kann wohl davon ausgehen, dass Homer das auch im Blick hatte, ihm also klar war, dass mit zuviel Sex and Drums and Rockn’Roll das Leben etwas zerfleddert. Adorno / Horkheimer passte es nun, weil es gut zu ihrer These passe, dass der listenreiche Odysseus auf die Frage, wer ihm eine Auge ausgestochen hat, antwortet „Niemand hat dir ein Auge ausgestochen“. Er ist niemand mehr, weil er sich als Subjekt ausgelöscht hat. Durch die maximale Anpassung des Subjekts an die Realität, wird dieses ausgelöscht. Insofern gibt es Parallelen zwischen Mythos, Religion und Aufklärung. Alle drei zielen auf die Schaffung eines Bezugrahmen ab, der die erstmal chaotisch erscheinende, nicht beherrschbare Welt beherrschbar macht.
[Ob sich jetzt daraus ein Bogen zu einer Faschismutheorie ableiten lässt, wie in dem Buch Dialektik der Aufklärung suggeriert, bzw. die Theorie irgendwas Konkretes und praktisch Relevantes über den Faschismus aussagt, sei dahingestellt. Da trifft wohl eher die Banalität des Bösen zu. Schafft ein System an der Spitze die entsprechenden Incentives, positiver oder negativer Art, und gibt es keine Kontrolle, dann wird das System kippen.]
Adorno verirrt sich also nicht im Gestrüpp von Deutungsversuchen für die seit Menschengedenken andauernde lange Serie aus Pleiten, Pech und Pannen, das machen Historiker; er versucht die Höllenmaschine, also solche bezeichnet er die Menschheitsgeschichte, abstrakt durch die conditio humana zu erklären.
Die Theorie ist, da kann man Popper zustimmen, nicht empirisch belastbar formuliert, allerdings macht sich Popper auch nicht die Mühe, irgendwas zu erklären. Marx, Hegel und Platon mögen zwar Vertreter des Historizismus bzw. Vetreter einer geschlossenen Gesellschaft sein, wenn man das denn so sehen will, allerdings erklärt Popper uns lediglich, was er unter Historizismus bzw. einer geschlossenen Gesellschaft versteht, er erklärt uns aber leider nicht, warum manche Leute Anhänger des Historizismus sind und die gegenwärtige Lage der Welt suggeriert auch nicht gerade, dass der Historizismus eines Hegels, also der Glaube, dass die Geschichte der Menschheit auf das „Bei-sich-sein“ des Weltgeistes zusteuert, das größte Problem der Menschheit ist. Bei anderen Spielarten des Historizismus, also Klimawandel, Insektensterben, Überbevölkerung etc.. müsste der so sehr um wissenschaftliche Evidenz bemühte Popper ja durchaus auf Historizismus erkennen. Ein auf die Hälfte reduzierter Rhein zeigt schon ziemlich evident, dass hier eine fatale Entwicklung stattfindet.