Also es kommt am Anfang ein bisschen theoretisches Gesäusel. Im Grunde geht es um die Frage, welchen Wert Kultur hat. Es geht also um die Frage, ob ein Stück Käsekuchen, das einen unmittelbaren Genuss verschafft, höherwertiger ist, als ein Gedicht von Rilke, der x-te Tatort denselben Stellenwert hat, wie ein Roman von Virginia Woolf; ob unmittelbarer Genuss das einzig ausschlaggebende Kriterium ist, ob es also genau so gut ist, mit 7000 PS vor Miami Beach zu cruisen (machen die tatsächlich da, fahren mit Volldampf in riesigen Yachten den Strand rauf und runter, hat den Autor dieser Zeilen erstmal fasziniert, vor allem weil gleichzeitig Kalifornien durch den Klimawandel abgefackelt wurde) oder sich eine Ballettaufführung anzusehen. Damit geht es dann auch um die Frage, ob der Staat Kultur fördern soll, weil es ein meritorisches Gut ist (also etwas, von dem die Leute tendentiel zu wenig konsumieren) oder ob er das lassen soll. Das Argument, „aber das kann man doch nicht vergleichen“ ist eben FALSCH, weil die Volkswirtschaftlehre genau das tut. MILLIONEN von Leuten lernen an allen Wirtschaftswissenschaftlichen Fakultäten dieser Welt, dass zwischen einem Stück Käsekuchen und der 9.Symphonie von Beethoven nur eine QUANTITATIVEN Unterschied geben kann, aber keinen QUALITATIVEN. Qualitative Unterschiede zu konstatieren, wäre eine Bewertung und hohe Wissenschaft ist natürlich immer wertfrei.
In diesem Video von Michel Sanders
geht es erstmal um den Utilitarismus von Jeremy Bentham, der „das größtmögliche Glück, für die größtmögliche Zahl“ als Maxime politischen Handeln ansieht. Schon Jeremy Bentham hat gesehen, dass die Maximierung zweier Größen zu widersprüchlichen Ergebnissen führen kann und hat den Gedanken dann modifiziert, von daher ist der Gedanke von Jeremy Bentham in dem Video unter Umständen nicht ganz korrekt wieder gegeben. Michel Sanders auf jeden Fall interpretiert den Vortrag so, dass Minderheitenrechte in dem Konzept von Jeremy Bentham nicht geschützt sind und illustriert das mit drastischen Beispielen. Im alten Rom hatten die Gladiatoren, eine Minderheit, zwar erhebliches Leid erfahren, aber die tobende Masse, also die Mehrheit, hatte ihren Spaß. Das wäre dann, bei dieser Interpretation von Jeremy Bentham, größtes Glück (also Brot und Spiele) für die größtmögliche Zahl (die Römer). Die zweite Schwäche, und das ist der eigentlich interessante Punkt, ist die Tatsache, dass Jeremy Bentham, genau wie die moderne Mikroökonomie, dezidiert die Neoklassische Ökonomie, die heute Kanon der Lehre in allen wirtschaftswissenschaftlichen Studiengängen ist, alles unter Nutzen aggregiert. Wenn also das Verspeisen einer Rindsroulade 3 Nutzeneinheiten stiftet und ein Gedicht von R.M. Rilke 2 Nutzeneinheiten, dann ist das Verspeisen einer Rindsroulade überlegen. Der Staat müsste also, das wäre dann die logische Konsequenz, mehr Geld in die Versorgung der Bevölkerung mit Rindsrouladen investieren und weniger in die Vermittlung kultureller Werte.
Klingt vordergründig ziemlich gaga, aber Tatsache ist, dass in der Neoklassik, also insbesondere Carl Menger, Vilfredo Pareto, Léon Walras implizit genau das gesagt wird. Es gibt den Grenznutzen und Feierabend. Der Grenznutzen lässt sich quantitativ bestimmen (bzw. zumindest relativ zu einem anderen Wirtschaftsgut), aber nicht qualitativ, das wäre dann, unwissenschaftlich, weil es keine Kriterium gibt, dass den Vorteil eines Romans von Virginia Woolf im Vergleich zum Vanille Pudding belegen kann. Messen lässt sich aber, ob die Leute für 2 Euro einen Pott Vanillepudding kaufen oder eben einen Roman von Virginia Woolf. (Also für zwei Euro eben gebraucht bei Amazon.) Wissenschaftlich heißt, dass sich etwas empirisch belastbar messen lässt. Man kann sich also z.B. auf die Fußgängerzone stellen und (kostenlos) 150 Gramm Vanillepudding anbieten ODER eben eine Roman von Virginia Woolf. Greifen die Leute dann nach dem Vanillepudding, dann ist klar, dass der Vanillepudding einen höheren Nutzen stiftet. Das ist kein Witz. Das ist die reine akademische Lehre.
[Die ganze Debatte soll hier nicht geführt werden. Zur Neoklassik gehört auch Alfred Marshall, das ist dann der Intellektuelle und den Neoklassikern und eine ganz andere Liga, aber wirklich eine ganz andere Liga. Im Orginal hat den aber wohl kein Professor der Vwl gelesen. Die subsumieren da was unter einem Begriff, was ganz definitiv nichts miteinander zu tun hat. Wer sich dafür interessiert: www.economics-reloaded.de. Da der Grenznutzenquark zum Standard der Vwl Theorie gehört, finden sich ohne Ende videos von irgendwelchen Leuten, die den Schwachsinn dann vertickern, weil das Examensrelevant ist, z.B. hier: https://www.youtube.com/watch?v=EaEtgrFUDJI. Wird ein Schwachsinn examensrelevant, dann beschäftigen sich die Leute damit, egal was es für ein Blödsinn ist. Wer mehr über den Grenznutzen erfahren will, muss bei youtube Grenznutzen eingeben, dann kriegt er noch ein paar Hundert Videos derselben Sorte.]