Bei einem externen Shock löst der Zins das Problem nicht. Machen wir uns das an einem Beispiel klar. Wir haben ein Transportunternehmen, also ein Unternehmen, das mit Vierzig-Tonnern Waren von A nach B transportiert. Diese brauchen Sprit, der wird teurer, derzeit zahlt man auf Autobahn – Tankstellen fast 2 Euronen für den Liter Benzin und bei Diesel sieht es nicht besser aus. Die gestiegenen Preise werden die Transportuntehmer teilweise an deren Kunden weiterreichen, z.B. Edeka, Lidl, Penny etc., die das dann wiederum an die Endkunden weiterreichen, und teilweise werden deren Gewinnmargen sinken, wenn sie die gestiegenen Kosten nicht vollständig weiterreichen können. Nun braucht so ein Transportunternehmen auch ab und an einen neuen Truck und der kostet dann schon mal so um die 100 000 Euro und wird in der Regel über Kredite finanziert. Hebt die EZB jetzt den Zins an, wird das schwieriger mit der Refinanzierung. Im Extremfall hat das Unternehmen am Schluss gar keine Trucks mehr und geht pleite. Ganz mies wird es, wenn der Zinssatz auch noch flexibel ist. Was bekommen wir also als Resultat? Also Resultat bekommen wir, Rückgang der Nachfrage und damit höhere Arbeitslosigkeit und Probleme bei der Refinanzierung.
Es wäre also sehr sinnvoll, wenn Frau Schnabel zwischen einer Kaufkraft, die das Angebot übersteigt und einem externen Schock differenzieren würde. Das sind nämlich zwei fundamental unterschiedliche Szenarien. Im ersten Fall ist die Zinserhöhung die Lösung des Problems, im zweiten Fall können wir wählen was schicker ist: Hohe Inflation, dafür aber geringe Arbeitslosigkeit oder eben geringe Inflation mit hoher Arbeitslosigkeit. Läuft es ganz schlecht, ist der externe Schock sehr groß, kriegen wir beides: Hohe Arbeitslosigkeit und hohe Inflation, also Stagflation.
Ob ihr das bewusst ist oder nicht ist unklar, die Konsequenzen nennt sie ja nicht, aber in diesem Szenario, externer Schock, bezahlt jemand für den Trick, mit einer Zinserhöhung die Inflation einzudämmen, die Zeche. Wenn sie überhaupt eine Theorie hat, dann denkt sie an die Suada von der Phillipskurve, siehe hier: https://theatrum-mundi.de/und-ewig-ruft-die-phillipskurve/. Der Trick mit der Phillipskurve geht so. Die Gewerkschaften werden die Inflation in ihre Lohnforderungen einpreisen. Die Arbeitgeber wiederum werden die höheren Löhne in die Preise einpreisen, woraufhin die Gewerkschaften die dann höheren Preise wiederum in die Lohnforderungen einpreisen und die Unternehmer diese wiederum…. Die Phillipskurve, bzw. die dahinter stehende Ideologie, geht davon aus, dass die Arbeitnehmer die Anpassungslast zu tragen haben und nicht etwa die Gewinnmargen reduziert werden dürfen.
Die Idee von Frau Schnabel könnte also sein, genau äußert sie sich ja nicht, dass eine höhrer Arbeitslosigkeit die Gewerkschaften dazu bringt, bei Lohnverhandlungen bescheidener aufzutreten. Das würde den Unternehmen einen größeren Gestaltungsspielraum ermöglichen. Der Primäreffekt auf die Investitionen wäre also geringer, wenn auch der Sekundäreffekt, also der Einbruch bei der Nachfrage durch geringer Löhne, ebenfalls einen Effekt auf die Nachfrage hätte.
Frau Schnabel diskutiert in dem erwähnten Artikel nicht, wer die Zeche letztlich bezahlt, aber bei einem exterrnen Schock zahlt jemand die Zeche. Es wäre nett von der EZB, wenn sie das mal deutlich sagt.
Last not least gibt es noch eine weitere Möglichkeit, auf externen Schocks zu reagieren. Man lässt den Zins da wo er ist. Das führt zwar zur Inflation, aber wenn alle Währungen inflationieren, erhalten die Lieferanten von Öl und Gas zwar mehr Euros, Dollars und Pfund, aber die sind dann halt weniger wert, mit dem Ergebnis, dass sie unter Umständen das unproduktive Spiel unterlassen.