staunen, nicht ärgern

Wahrheiten ohne Relevanz: Wo Wissenschaft und Günther Jauch sich treffen

Viel Irrtum und ein Fünkchen Wahrheit,
So wird der beste Trank gebraut,
Der alle Welt erquickt und auferbaut.
Dann sammelt sich der Jugend schönste Blüte
Vor eurem Spiel und lauscht der Offenbarung,
Dann sauget jedes zärtliche Gemüte
Aus eurem Werk sich melanchol’sche Nahrung,
Dann wird bald dies, bald jenes aufgeregt
Ein jeder sieht, was er im Herzen trägt.
Noch sind sie gleich bereit, zu weinen und zu lachen,
Sie ehren noch den Schwung, erfreuen sich am Schein;
Wer fertig ist, dem ist nichts recht zu machen;
Ein Werdender wird immer dankbar sein.

Das Schauspiel, um ein solches handelt es sich ja bei Goethes Faust, ist also eher Projektionsfläche. Wenn es „erquickt und auferbaut“ sorgt es wohl für eine weitere Perspektive auf die Welt, die aber wiederum von dem abhängt, was man „im Herzen trägt“. Um Wahrheit geht es also gar nicht, ganz im Gegenteil. Das Wirkung kann auch durch „viel Irrtum und [nur ein kleines] Fünkchen Wahrheit“ erreicht werden. Allerdings ist der Artefakt nicht beliebig, er muss anschlussfähig sein, einen „Werdenden“ im richtigen Moment treffen. Schüttet man die Leute einfach mit beliebigem Müll zu, dann lauscht da niemand der Offenbarung und pseudowissenschaftlichen Geblubbere mit den ewig gleichen Phrasen à la „muss Gegenstand weiterer Forschung sein“ lauscht schon deswegen niemand, weil es sofort nach Erstellung in der Ablage Rund entsorgt wird.

An der Wahrheitsfindung werden die Geisteswissenschaften nicht scheitern, sie können aber scheitern an der Beliebigkeit. Kann jedes Thema Gegenstan „wissenschaftlicher“ Forschung werden, landen wir beim Kreuzworträtsel oder eben bei Günther Jauch und dafür brauchen wir keine teuren Fakultäten. Schlimmstenfalls kennen die Leute dann den Autor eines Gedichtes nicht, das macht aber nix, solange sie wissen, wie der Chefarzt in der Schwarzwaldklinik heißt.

Alles in allem nicht besonders kompliziert, aber bei den professoralen Untoten, die durch deutsche Unis schlurfen, hat man den Eindruck, dass das summum bonum das Erreichen des Rentenalters ist. Denkt man länger darüber nach, ist die Thematik komplizierter, siehe https://www.die-geisteswissenschaften.de.

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