staunen, nicht ärgern

Ich und das Preussentum

Ich erfahre gerade, dass ich mit meiner Identität ringe. Steht zumindest im Spiegel, muss also stimmen.

https://www.spiegel.de/politik/preussen-kulturkampf-um-das-preussische-erbe-a-4686dd57-15ba-4497-8668-d2fb9919e5c1

Zitat:“Deutschland ringt mal wieder mit seiner Vergangenheit. Und damit auch um seine heutige Identität.“

Was kann damit gemeint sein? Also Deutschland ist eine Verwaltungseinheit, also im wesentlichen eine Bürokratie. Rein theoretisch
könnten Verwaltungseinheiten oder Organisationen im Allgemeinen eine Identität haben, also sowas wie eine Corporate Identity oder gelebte
Firmenkultur oder was auch immer. Das wäre dann sowas wie Richtlinien, die für die Organisation, welcher Art auch immer, massgeblich sind bzw.
die Art, wie die Organisation wahrgenommen werden will. Das scheint aber nicht gemeint zu sein. Aufhänger des Artikels ist das von
uns Außenminister Baerbock veranstaltete Attentat auf Bismarck und irgendwelche Inschriften an irgendwelchen Kuppeln von irgendwelchen wieder aufgebauten Schlössern. Bismarck ist in der Tat etwas uncool und ziemlich aus der Zeit gefallen. Erschwerend kommt hinzu, dass ohne Bismarck Deutschland unter demokratischen Vorzeichen vereinigt worden wäre oder eben gar nicht. (Wir hätten dann heute Weimar, Sachsen, Bayern etc. etc. als eigene Länder und der Weltkrieg I und Weltkrieg II wäre Deutschland und der Welt erspart geblieben.) Weiter ist das preussische Erbe dann wohl noch Friedrich II, also der Typ, der ständig irgendwelche Kriege führte, der also der Beginn des Malheurs ist.)

Des weiteren geht es um irgendeinen Bananenspruch in reichlich verquastem Deutsch an der Kuppel: „Es ist in keinem andern Heil, ist auch kein anderer Name den Menschen gegeben, denn in dem Namen Jesu, zur Ehre Gottes des Vaters. Dass in dem Namen Jesu sich beugen sollen aller derer Knie, die im Himmel und auf Erden und unter der Erde sind.“

Also geerbt hab ich tatsächlich Deutsch als Muttersprache, aber diesbezüglich ist ganz offensichtlich zu wenig bei mir angekommen, denn ich verstehe schlicht gar nicht, was der Inhalt der verquasten Schreibe ist und ich würde schlicht sagen, der Spruch ist Nonsense. Der setzt sich zusammen aus zwei Sprüchen, wobei nur die einzelnen Sprüche eine Aussage haben, klebt man die Hälfte des einen an die Hälfte des anderen, ist das Nonsense.

„Und in keinem andern ist das Heil, auch ist kein andrer Name unter dem Himmel den Menschen gegeben, durch den wir sollen selig werden.“

Auch reichlich verquast, aber kann man an der Grenze noch verstehen. Soll heißen, es gibt nur einen Gott und wer an den glaubt, wird selig. Das glauben die Moslems auch, und Christen und Moslems zusammen sind ein Haufen Volk. Wenn das soviele Leute glauben, dann muss das richtig sein getreu dem Motto, Mist muss gut sein, Tausend Fliegen können nicht irren. Der zweite Teil lautet im Volkstext so.

„Darum hat ihn (also Jesus) auch Gott erhöht und hat ihm den Namen gegeben, der über alle Namen ist, dass in dem Namen Jesu sich beugen sollen aller derer Knie, die im Himmel und auf Erden und unter der Erde sind, und alle Zungen bekennen sollen, dass Jesus Christus der Herr ist, zur Ehre Gottes, des Vaters.“

Mal so ganz pragmatisch. Schreibt jemand so, der den TestDaf ablegen muss, z.B. Nachweis deutscher Sprachkenntnisse im Einbürgerungsverfahren, dann ist er durchgefallen. Aber irgendwie klingt verquast ganz besonders tiefsinnig. TestDaf kompatibel wäre das.

Darum hat ihn Gott auch ehrhöht und hat ihm einen Namen gegeben, der ihn auszeichnet und verdeutlicht, dass er über den anderen steht, und dass alle die im Himmel, auf der Erden und unter der Erde sind vor ihm niederknieen sollen. Des weiteren sollen sie in alle Zungen bekennen, dass Jesus Christus der Herr ist und Gotte verehrt wird, wenn Jesus verehrt wird. So ähnlich klingt das ja auch bei den Moslems: „Es gibt keinen Gott außer Gott und Mohammed ist sein Prophet etc. blabla.) Also im Grunde sind sich Christen und Moslems einig und Friede sei auf Erden.

 

Wer jetzt konkret mit „Deutschland“ gemeint ist, ist völlig unklar. Allerdings können Erben, stellt man auf immaterielle Güter ab, nur Menschen sein. (Schlösser, Gemälde, Schmuck, etc. könnte man auch an Stiftungen vererben. Preussische Tugenden, wenn das gemeint ist, kann man ja nur an Menschen vererben, wobei diese das Erbe ja auch ablehnen könnte, was sie tun werden, wenn die Passiva die Aktiva übersteigen, was ja für das preussische Erbe zutrifft.) Vermutlich sind Deutschland also alle Menschen, die einen deutschen Pass besitzen. (Was auch in der Überschrift zum Ausdruck kommt: Die Deutschen und ihre Identität.) Da ich einen solchen besitze, geht es also um mich und von mir wird jetzt behauptet, dass ich mit meiner Identität ringe, bzw. mir darüber Gedanken mache, inwieweit das preussischen Erbe meine Identität beeinflusst.

Aber ehrlich gesagt, das Preussische Erbe geht mir ziemlich breitseitig am Arsch vorbei und vermutlich geht es 99,9 Prozent aller Menschen, in deren Pass Nationalität Deutsch steht ähnlich. (Mein Reisepass läuft im übrigen im Juli ab und ich muss das Teil erneuern. Das tangiert zwar nicht meine Identität, aber es läuft mir ein Schauer über den Rücken, wenn ich daran denke, dass ich jetzt einen Termin beim „Bürgeramt“ brauche und die reichlich lustlosen Gesellen dort betrachten muss.) Es geht hier offensichtlich um immaterielle Güter, also „preussischen“ Tugenden, Eigenschaften, Charakteristika. Die Frage ist dann, wie erbt man sowas? Immaterielle Vermögenswerte gibt es auch im kaufmännischen Rechnungswesen, da ist dass die Differenz zwischen buchhalterisch ermittenlten Wert und Markwert (Nennt sich derivativer Firmenwert. Lacoste z.B. hat einen Marktwert, der das Vermögen bei weitem übersteigt. Liegt daran, dass Lacoste Vertrauen genießt. Das ist ja der Witz bei jeder Art von Marke.) So was kann aber auch nicht gemeint sein. Gemeint ist wohl irgendwas, was die Preussen auszeichnet und was man sich durch Studium (?) auch aneignen kann. Wer also z.B. gut Bescheid weiß über preussische Geschichte, kriegt dann auch ein paar Kilo preussische Tugenden. Das Problem dabei ist, dass 99,9 Prozent aller Deutschen keine Ahnung haben von preussischer Geschichte, was diesbezüglich an der Penne vermittelt wurde, wurde bereits umfassend mental entsorgt. Ich würde mal vermuten, das selbst die Berliner, die ständig an irgendwelchen Statuen und Monumenten vorbei latschen, Moltke, Wilhelm IV, Königin Luise, Gedächtniskirche, Schloss Charlottenburg etc. etc. das nicht historisch einordnen können und noch schwieriger wird es, wenn man das Erbe, dass ja offensichtlich als immaterielles Vermögen gedacht ist, einordnen soll. Vermutlich denken manche Leute an preussischen Tugenden, zu denen gibt es sogar einen Wikipedia Artikel: https://de.wikipedia.org/wiki/Preu%C3%9Fische_Tugenden

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