Googelt man mit, in Anführungsstrichen, „Wozu Geisteswissenschaften“, bekommt man sagenhafte 2070 Treffer mit im Grunde immer gleichen Tenor. Die Geisteswissenschaften stehen für das Wahre, Schöne und Gute und vom Wahren, Schönen und Guten kann die Gesellschaft gar nicht genug kriegen. Um diese Kernthese herumgefrickelt haben wir dann noch den universellen Anspruch der Geisteswissenschaften, sie allein klären, im Gegensatz zu den schnöden Naturwissenschaften, die rein, wie Heidegger es formulierte, planetarisch sind und nicht denken, was die Welt im Innersten zusammenhält, leisten dann noch einen unermesslichen Beitrag zur Persönlichkeitsentwicklung, zur Bewahrung des kulturellen Erbes und sonstigem Tralala. Besonders viel Tralala haben wir dann aus den Sphären, die staatlich alimentiert werden und natürlich der Meinung sind, dass der Steuerzahler für das Wahre, Schöne und Gute noch viel mehr Geld austüten muss.
Was da in der akademischen Sphäre schief läuft mit den Geisteswissenschaften ist hier beschrieben: https://www.die-geisteswissenschaften.de. Hier geht es jetzt eher um Grundsätzliches.
Rollen wir das Ding also mal von unten auf.
Der Autor dieser Zeilen hat jetzt beides studiert, Romanistik (Spanisch, Französisch, Italienisch und Geschichte auf Magister) und Volkswirtschaftslehre auf Diplom. Für beide Fächer gilt: Die Originalwerke sind wirklich spannend, das akademische Tralala macht man halt, damit man ein Zeugnis bekommt, aber davon abgesehen, könnte man sich das auch sparen. (Bzgl. VWL hat der Autor den gesammten Inhalt des Studiums mal auf ein Buch kondensiert, kann man hier downloaden, https://sprachportale.infos24.de/oekonomen-und-ihre-theorien.pdf oder eben für die Freunde toten Holzes bei Amazon käuflich erwerben. Der Text enthält dann am Schluss Fragen und Antworten, anhand derer man überprüfen kann, ob die message angekommen ist.)
Hat man einen Professor in VWL mit philosophischen Ambitionen, dann erzählt der einem was von den idiographischen Wissenschaften, die ein Phänomen in seiner Einzigkartikeit erfassen wollen, und den nomothetischen Wissenschaften, dazu gehört natürlich die VWL, die nach ewig geltenden Gesetzen suchen, wobei natürlich unterstellt wird, dass die VWL schon viele solcher ewig geltenden Gesetze gefunden hat und folglich, im Gegensatz zu z.B. Romanistik, eine echte Wissenschaft ist. So formuliert ist das natürlich Quark, aber anders formuliert steckt in der Unterscheidung ein Fünkchen Wahrheit.
Egal ob Mikroökonomie oder Makroökonomie die Grundannahme der Volkswirtschaftslehre (VWL) ist, dass die Menschen auf Anreizsysteme reagieren und zwar alle auf die gleiche Weise. Die Diskussion in der VWL geht dann lediglich um die Frage, wie das Anreizsystem geschaffen sein muss, klassischen / neoklassischen, keynesianischen, monetaristischen, anarcho-kapitalistischen oder welchen Vorstellungen auch immer folgen muss, damit der gesamtwirtschaftliche Wohlstand, das ist indentisch mit der optimalen Allokation der Resourcen, optimiert wird. Im klassisch / neoklassischen Modell haben wir dann z.B. eines Steuerung der Resourcen Allokation allein durch den Wettbewerb und im keynesianischen Modell durch Parameter, die der Staat setzt. Im klassisch / neoklassischen Modell z.B. ergibt sich der Zins durch das Marktgeschehen und im Keynesianismus setzt der Staat, bzw. die Zentralbank, den Zins. In beiden Modelle allerding reagieren die Menschen auf den Zins; um mal ein Beispiel zu nennen. Das trifft sogar zu. Das klassisch / neoklassische Modell ist nicht deswegen obsolet geworden, weil die Marktteilnehmer auf die Zinssignale nicht reagiert haben, sondern weil der Zins ganz grundsätzlich nicht der Preis für Geld ist, sondern lediglich eine Größe, über die sich makroökonomischen Prozesse steuern lassen. Folglich ist der Zins in modernen Volkswirtschaften keine Größe mehr, die sich aus dem Marktgeschehen ergibt, sondern eine Größe, die durch die Zentralbank zur Erreichung makroökonomischer Ziele vorgegeben wird. Abstrakt formuliert: Wir haben einen systemischen Ansatz. Durch das Setzen negativer oder positiver Anreize lässt sich die Gesellschaft steuern. Senkt die EZB z.B. die Zinsen, gehen die Immobilienpreise durch die Decke und hebt sie die Zinsen an, dann sinken die Immobilienpreise. Der einzelne stellt sich hierbei nicht die Frage, ob sein Handlen gesamtwirtschaftlich sinnvoll ist oder nicht.
Das ist relativ harmlos, solange wir uns lediglich mit der Steuerung der Wirtschaft beschäftigen. Die ungeklärte Frage ist, inwiefern sich auch autoritäre und totalitäre Systeme durch entsprechende Anreizsysteme errichten und stabilisieren lassen. Die Anreize sind in der Ökonomie rein monetärer Art, letztlich können aber auch die Anreize die autoritäre bzw. totalitäre Systeme stabilisieren rein monetärer Art sein. Ein Buchhalter in der Verwaltung hat eine monetären Anreiz eine Stelle als KZ-Aufseher anzutreten, wenn diese besser bezahlt wird.
Das Modell homo oeconomicus, das allen Modellen der Volkswirtschaftslehre zugrunde liegt, ist ökonomisch sinnvoll. Damit der Wettbwerb im klassisch / neoklassischen Modell seine gesamtwirtschaftlich segensreiche Funktion erfüllen kann, müssen die Marktakteure auf das Anreizsystem des Marktes reagieren, also ihren Gewinn maximieren wollen. Ist das Urvertrauen in die heilenden Kräfte des Marktes nicht vorhanden, dann kann sich der Staat veranlasst sehen, in die Wirtschaft regulierend einzugreifen. Will er z.B. die Bautätigkeit fördern, kann er den Abschreibungszeitraum für Immobilien erhöhen, was aber auch nur funktionieren kann, wenn die Wirtschaftssubjekte von den Möglichkeiten des sich dann tatsächlich ergebenden Steuersparmodell Gebrauch machen. Haben sie dennoch keine Lust in Immobilien zu investieren und machen lieber Urlaub, funktioniert die Globalsteuerung nicht.