Große Vermögen sind nun vom eigentlichen Produktionsprozess sehr weit entfernt, haben also eine ziemliche Neigung, in Produkte zu investieren, die homogen und leicht durchschaubar sind, also Wertpapiere aller Art: Staatsanleihen, Aktien, Wandelschuldverschreibungen, Genussrechte, Finanzderivate aller Art etc. etc.., Immobilien und Gold. Hinter Aktien stecken zwar Unternehmen, von Coca Cola über Bayer bis zu Microsoft und Dr.Oetker, aber als Papier, also als Aktie, ist das homogen. Die Komplexität der Realwirtschaft ist also drastisch reduziert. Eigentlich muss der „Investor“ in Aktien von dem Kerngeschäft des jeweiligen Unternehmens gar nix verstehen und versteht davon auch nix. Er muss nicht mal die Entwicklung der z.B. Aktie einschätzen, er muss nur wissen, wie andere die Entwicklung einschätzen, denn von der Einschätzung der ANDEREN, nicht von seiner eigenen, hängt die Entwicklung der Aktie ab.
[Das ist das, was Keynes einen Beauty Contest nennt. Ein englische Zeitungszeitung forderte in einem Beauty Contest ihre Leser dazu auf, die Frau zu bestimmen, von der sie glaubten, dass ANDERE, also nicht sie selbst, sie für die schönste hielten.]
Das führt dann zu, dass sehr Vermögendende sehr überwiegend in Wertpapiere, Gold und Immobilien investieren und ein niedriger Zinssatz nicht etwa dafür verwendet wird, Realinvestitionen zu realisieren, die zwar eine Wertschöpfung haben, aber keine, die ausgereicht hätte einen hohen Zinsatz zu bedienen, sondern in Aktien, Immobilien und Gold. Die Absenkung des Zinsniveaus nach der Finanzkrise 2008 hat die Aktienmärkte, den Immobilienpreis und den Goldpreis explodieren lassen. Was die Leute machen mit geliehenem Geld, das sie billig kriegen, machen sie auch mit eigenem Geld, wobei eben die Leute, die viel Geld haben, auch kein Problem damit haben, sich noch mehr auszuleihen.
Das Problem ist also das: Sind große Vermögen, bzw. deren Besitzer, tatsächlich in der Lage große Vermögen sinnvoll anzulegen oder neigen sie eher dazu, ihr Geld zu parken, bzw. damit marktwirtschaftlich unproduktiv, zu spekulieren? Für letzteres spricht auch, dass der Umsatz an den Aktienbörsen, die Summe an Realinvestitionen bei weitem übersteigt.
Will man sich das Problem klar machen, kann man es auch im kleinen betrachten. Fragt man 100 Leute, was sie tun würden, wenn sie eine Million Euro im Lotto gewinnen, dann antworten 90 Prozent Immobilie kaufen, Wertpapiere kaufen, Gold kaufen. Bei Immobilien handelt es sich dann aber nicht, wie die letzten Jahre gezeigt haben, um den Neubau von Immobilien, sondern um den Ankauf von Bestandimmobilien, was keinerlei Auswirkungen auf das Angebot hat, marktwirtschaftlich also sinnlos ist. Bei Aktien handelt es sich zu 99 Prozent um Aktien, die bereits existieren, die also nur den Besitzer wechseln, aber nur beim IPO, initial public offering, fließt dem Unternehmen neues Geld zu, steht also für Realinvestitionen zur Verfügung. Gold, das ist unmittelbar einsichtig, wechselt nur den Besitzer. Reales Wachstum und damit Arbeitsplätze, entstehen so nicht.
Manchmal gibt es auch hoch riskante Investitionen, das passiert dann, wenn venture capitalist Geld einsammeln und an „start ups“ durchreichen. Das führt dann in 90 Prozent der Fällen dazu, dass Geld verbrannt wird, in der new economy nennt sich das die cash burn rate. Wir haben dann total innovative first mover, die Klopapier, Hundefutter, müsli etc. online verkaufen. Die Verluste sind praktisch immer enorm und ist das Geld dann weg, machen die wieder zu. Auch das schafft kein Wachstum.
Beide Phänomene, rein spekulative Anlagen und Investitionen in blumige Phantasien werden mit ungleicher Verteilung zunehmen.
Das allerdings ist das Gegenteil von Marktwirtschaft. Die Idee der Marktwirtschaft ist, dass es qualitatives (Waschmaschine wird immer besser und lässt sich auch z.B. fernsteuern über App) oder quantitatives Wachstum gibt, die Versorgung also immer besser wird. Steigen aber lediglich die Preise für Immobilien, Aktien und Gold, dann nennt man das ganz schlicht Inflation. Marktwirtschaft setzt voraus, dass die Resourcen bei den Leuten landen, die sie auch tatsächlich am effizientesten im Sinne von qualitativem und quantitativem Wachstum einsetzen können, was aber dann nicht mehr der Fall ist, wenn Leute von der Realwirtschaft keine Ahnung haben, wobei dies umso wahrscheinlicher ist, je mehr Vermögen konzentriert ist.
Das hält auch Keynes für das Kernproblem der marktwirtschaftlichen Ordnung. Keynes bestreitet nicht, dass die Marktwirtschaft äußerst effizient ist, wenn sie funktioniert. Er bezweifelt nur, dass sie immer funktioniert.
„The only radical cure for the crises of confidence which afflict the economic life of the modern world would be to allow the individual no choice between consuming his income and ordering the production of the specific capital-asset which, even though it be on precarious evidence, impresses him as the most promising investment available to him. It might be that, at times when he was more than usually assailed by doubts concerning the future, he would turn in his perplexity towards more consumption and less new investment. But that would avoid the disastrous, cumulative and farreaching repercussions of its being open to him, when thus assailed by doubts, to spend his income neither on the one nor on the other.“