staunen, nicht ärgern

Stream of consciousness: Läuft das nicht doch wieder auf eine Überschätzung der Sprache hinaus ?

To the Lighthouse von Virginia Woolf ist ein tiefer Einschnitt in die Literatur und ziemlich genial. Über das Buch an sich soll hier gar nicht diskutiert werden. Eine sehr ausführliche Beschreibung des Werkes ist hier: https://www.sparknotes.com/lit/lighthouse/.

Wir bezweifeln gar nicht, dass der Ansatz von Virginia Woolf, oder von James Joyce, Ansätze von stream of consciousness haben wir im übrigen auch bei Mario Vargas Llosa, beim Nouveau Roman und Alain Robbe Grillet sind die falsch abgebogen, was beim Nouveau Romans rauskommt ist nonsense, die einzige Möglichkeit ist, so was wie einen Bewußtseinstrom zu beschreiben. Die einzige Möglichkeit, das Denken zu beobachten, ist nun mal, wenn es sich irgendwie sprachlich manifestiert.

Was ist also eigentlich der stream of consciousness? Vor allen Dingen mal ist der stream of consciousness so ziemlich das Gegenteil der allgemein so hochgeschätzen Fokusierung. Wer seine Konzentration auf irgendwas fokusiert, der blendet alles aus, was außerhalb des Fokus liegt. Sollte man können keine Frage. Innerstädtisch sollem man als Fahrer eines PKW fokusiert sein, auf der Autobahn kann man sich dann dem stream of consciousness hingeben. Nach einer Stunde oder so muss man dann mal blinken, dann schreit aber google maps.

Stream of consciousness ist das, was man allgemein mit „die Seele baumeln lassen“ bezeichnet. Da es eine Redewendung dafür gibt, scheinen das viele Leute zu kennen. Vermutlich machen das viele Leute, wenn sie am Strand liegen und vor sich in dösen. Da wird dann alles mögliche abgespult und durcheinander gemischt: Bilder aus der Vergangenheit, mit der Frage, was man heute abend macht, intensiveres Nachdenken über irgendjemanden, nachdenken darüber, ob man sich in der oder jener Situation richtig verhalten hat, dazwischen gemixt noch alle möglichen Überlegungen bzgl. des Sinn des Lebens. Also ein wildes Tohuwabohu ohne jede Fokusierung. Am Ende, also wenn wir uns dann auf den Weg machen zum Strandcafé um eine caffé capuce zu trinken, wie der in Italien heißt, können wir feststellen, aufgrund dessen, was sich sprachlich manifestiert hat, dass wir einen Haufen Themen durchgegangen sind, zwischen denen exakt Null Zusammenhang bestand.

Wir wissen aber nicht, was diese lange Aneinanderreihungen inkohärenter Assoziationsketten getrieben hat. Es ist aber ziemlich plausibel davon auszughen, dass in diesem Tohuwabohu Dinge auftauchen, die uns nachhaltig geprägt haben. Ziemlich unwahrscheinlich, dass wir dann Eindrücke erinnern, neu verknüpfen, umdeuten oder was auch immer, die wir schlicht nie gemacht haben. Genauso so wahrscheinlich ist, dass das Bewußtsein eine Vorselektierung vorgenommen hat. Es gibt wohl eine Prädisposition für Eindrücke. Wie dem auch immer sei, wenn wir in der Sonne liegen an irgendeinem Strand an irgendeinem Fleck dieser Erde, dann ist die Welt ziemlich entrückt und folglich besteht auch keine Notwendigkeit, auf irgendwas zu fokusieren. Der Ausdruck „die Seele baumeln lassen“ suggeriert nun, dass wir hierbei einen gewissen Grad an Freiheit erreichen, das Ich wandert dahin, wo es hin will. Die alten Griechen wollten ja noch im Fluss Lethe baden, der erlöste von allen Erinnerungen. No clue, wer sich das ausgedacht hat, auf jeden Fall ziemlich sinnlos. Im stream of consciousness wird alles zum Roman. Bei Mahler in der Symphonie Nr. 2 passiert das erst bei der Auferstehung, wie bleibt etwas dunkel. Geht ganz locker im stream of consciousness.

O glaube, mein Herz, o glaube:
Es geht dir nichts verloren!
Dein ist, ja dein, was du gesehnt,
Dein, was du geliebt, was du gestritten!

Empirisch belastbar darstellbar ist das natürlich nicht, aber es spricht doch einiges dafür, wer will kann ja selber mal seinen persönlichen stream of consicousness analysieren, dass wir keine Ziele verfolgen, wenn wir die Seele baumeln lassen. Die Beschreibungn solcher Momento taucht in To the Lighthouse mehrere Male auf. Es sind die Momente, wo Mrs Ramsey ganz bei sich, der Außenwelt, die sie eher als Belastung emfindet, entrückt ist. Der Einwand, dass man für dieses Privileg der Welt von Zeit zu Zeit oder definitiv entrückt sein zu können, das nötige Kleingeld braucht, sticht natürlich. Ein Schuh wird aus der ganzen Geschichte, wenn man die Fokusierung in den Blick nimmt und bei der Beurteilungn selbiger verstrickt sich die Gesellschaft etwas in Widersprüche.

Kultur empfinden jetzt alles, was irgendwie staatstragend ist, als total wichtig, wobei aber eine Sache bombensicher ist. Wir wissen nicht, was Dichter eigentlich so treiben, was da wie zu einem Gedicht wird. Wir könnten sogar eine Linie ziehen, zwischen Phänomenen, bei denen wir die Komplexität unmittelbar einsehen, bis zu einem Gedicht, wo das nicht mehr so einfach in die Augen springt.

Nehmen wir mal einen ganz simplen Satz.

Ein Mann, der über die Straße geht, ist mein Freund.

Wer Deutsch Muttesprache hat, wobei der unbestimmte Artikel ein (ein Mann) in jeder Sprache hier deplaziert wäre, empfindet diesen Satz spontan als völlig unsinnig, bzw. es ist kein realistischer Kontext denkbar, wo dieser Satz irgendeinen Sinn ergibt. Genau genommen heißt der Satz, dass jeder Mann, der irgendwo auf der Welt über irgendeine Straße läuft, mein Freund ist. Man qualifiziert sich also dadurch als mein Freund, dass man über eine Straße läuft. Das ist Unsinn. Es muss heißen: Der Mann, der über die Straße geht, ist mein Freund.

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