staunen, nicht ärgern

Goethe, die Intuition und der deutsche Philologenverband

Im Grunde antwortet Faust auch gar nicht auf die Ausführungen von Wagner. Die zwei reden, das zieht sich durch die ganze Szene, aneinander vorbei. (Etwas, was wir auch bei der Rezeption des Werkes durch die Mitglieder des deutschen Philologenverbandes feststellen können.)

Mit dem Satz „Wenn sie (also die Erquickung) dir nicht aus eigener Seele quillt“ wird nicht darauf abgestellt, dass man nur durch eigenes Nachdenken einen Erkenntniszuwachs hat und dieser Erkenntniszuwachs bedeutunglos ist, wenn eine Erkenntnis lediglich durch die Lektüre der Fachliteratur erlangt worden ist, man also nicht selber auf die Idee gekommen ist. Zu dieser Interpretation passt erstens das Wort Erquickung nicht, dass ja eher auf eine konkrete, sinnliche Erfahrung abstellt und das Wort Seele passt dazu erst Recht nicht.

Allerdings wird Seele im Deutschen auch im Sinne von Bewußtsein, Geist gebraucht, z.B. in Seelenverwandschaft. In diesem Sinne umfasst der Begriff Seele die Beziehungen eines Subjekts zur Welt. Seelenverwandschaft liegt dann vor, wenn zwei Subjekte sich ähnlich zur Welt verhalten, ihre Einstellungen der Welt gegenüber sich also gleichen. Das geht dann über eine rein kognitive Beziehung hinaus.

Während Wagner also meint, dass er allein durch einen kognitiven Prozess, bei dem die Wahrheit allein auf der Seite des Objekts verortet ist, Erfüllung findet, stellt Faust auf die subjektive Bedeutsamkeit ab, die eigne Seele und subjektive Bedeutsamkeit ist eben weit mehr, als eine objektiv falsche bzw. richtige Aussage. Das Grundproblem Wagners sitzt aber noch viel tiefer. Erquickung, also die Erfahrung des tobenden Lebens, sucht er gar nicht, er vermutet gar nicht, dass es noch was anderes geben könnte. Was lernen wir daraus? Beschränktheit hat echte Vorteile.

Die Problematik mit der Intuition stellt sich also immer dann, auch im Alltag, wenn auf bewusst oder eben nur halb bewusst gemachte Erfahrungen zurückgegriffen werden muss. Mit dem Problem haben wir es also öfters in der Dichtung zu tun als in Romanen, da Dichtung nun eben mal Erfahrungen verdichtet, aber nicht den Prozess beschreibt, der sich zu einer Erfahrung verdichtet hat. Damit ergibt sich ein didaktisches Problem, dass die Lehrer mit Pensionsberechtigung eher selten meistern. Didaktisch gesehen muss ein Werk Anschlussfähig sein, bzw. Anschlussfähig dargestellt werden. Bei verbeamteten Geistlichen gibt es da gleich zwei Probleme. Ersten bräuchten die selber einen Zugang und zweitens müsste sie einen solchen vermitteln können. Das Treueverhältnis zum Staat nützt halt nicht viel, wenn eher Kreativität gefragt ist.

 

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