staunen, nicht ärgern

Bedeuten die Grenzen meiner Welt die Grenzen meiner Sprache oder bedeuten die Grenzen meiner Sprache die Grenzen meiner Welt

Soit dit en passant. Was im Grundstudium in Linguistik gelehrt wird, also Saussure und dieser ganze Schmarrn, ist vollkommener Blödsinn. Es ist zwar zutreffend, dass das signe linguistique, das sprachliche Zeichen, fix und arbiträr ist, allerdings ist das signifié, das Bezeichnete, also das, worauf das signifiant, das Bezeichnende, verweist, nichts Konkretes sondern lediglich eine Assoziationswolke und zweitens referenziert jedes signifiant einige Millionen signifiés, also in jedem Individuum ein anderes.

Das Statement von Wittgenstein stellt die Verhältnisse auf den Kopf, wobei man es auch aus einer anderen Perspektive betrachten kann, dann macht das Sinn. Der Sprache kann durchaus keine Erfahrung zugrunde liegen. Der ChatGPT, https://chat.openai.com/auth/login, also das Teil, das mittels künstlicher Intelligenz zu jedem x-beliebigen Thema etwas zu sagen hat, hat keine Erfahrung mit der Welt. Die Aussagen, die der Chat trifft, können zwar objektiv richtig sein, sind aber subjektiv nicht bedeutsam. Subjektiv bedeutsam kann eine Aussage nur sein, wenn sie durch eine Erfahrung gedeckt ist, andernfalls wäre ja Party feiern und sich aus dem Fenster stürzen dasselbe.

So absurd das klingen mag, die Auffassung von Sprache als etwas, was auch ohne jede empirische Basis funktioniert, wird tatsächlich vertreten. Insbesondere in der Romanistik, feiert das Hochzeiten, also mit Betonung auf dem o. Der neueste Hit ist dort der Nouveau Roman, also Alain Robbe Grillet und Co. Beim Nouveau Roman gibt es keine Schriftsteller und Dichter mehr, sondern Textproduzenten, die ihre Texte aus anderen Texten zusammenbasteln. Die machen also das gleiche wie https://chat.openai.com/auth/login, nur eben händisch. Die industrielle Produktion von Texten hat erst KI geschafft. Vermutlich gelangt man zu dieser Auffassung, wenn die Erfahrungsfähigkeit starkt eingeschränkt ist. Ursprünglich zielte der Nouveau Roman wohl auf den allwissenden auktorialen Erzähler, der ein Weltbild vermittelt. Aber bis dahin schafft es der universitäre Mittelbau der Romanistik nicht.

Arbeitet die Sprache mit Konstrukten, die keine Beziehungen innerhalb der Welt beschreiben, so findet das Wittgenstein nicht unlogisch, sondern unsinnig. Wenn man die Welt nicht mehr nur der Seite des Objekts verortet, sondern auch das Subjekt und dessen Erfahrung mitdenkt, dann stimmt das sogar. Das stellte aber schon Goethe, Faust, vor über 200 Jahren fest.

Mephistopheles:

Im ganzen – haltet Euch an Worte!
Dann geht Ihr durch die sichre Pforte
Zum Tempel der Gewißheit ein.

Schüler: Doch ein Begriff muß bei dem Worte sein.

Mephistopheles:

Schon gut! Nur muß man sich nicht allzu ängstlich quälen;
Denn eben wo Begriffe fehlen,
Da stellt ein Wort zur rechten Zeit sich ein.
Mit Worten läßt sich trefflich streiten,
Mit Worten ein System bereiten,
An Worte läßt sich trefflich glauben,
Von einem Wort läßt sich kein Jota rauben.

Der Begriff ist ein komplexeres Ding als ein Wort. Der Begriff setzt Erfahrung voraus, konkrete Erfahrung mit einer Situation, intellektuelle Durchdringung etc.. Wenn ein Minister nach Somalia fliegt, dann hat er Chancen sich einen Begriff von der Lage vor Ort zu machen. Er kann sich aber kein Wort von der Lage vor Ort machen. Mephistopheles plädiert aber, für die Schrumpfung des Begriffs auf Wort. Vermutlich hat Goethe bei seinen Zeitgenossen festgestellt, dass die Begriffe öfter mal zu Worten schrumpfen. Man kann die dann verwenden, grammatikalisch korrekte Sätze sind damit durchaus möglich, nur bedeutsam sind sie nicht. Auf der Seite, wo Wittgenstein sich bewegt, geht es nicht um Bedeutsamkeit, sondern um logische Stringenz. Auf der Seite muss man bleiben, dann mag die Beschreibung der Interdependenzen innerhalb der Welt zutreffend sein und daraus ergibt sich dann auch ein Programm, z.B. das von Karl Popper. Eine These muss überhaupt in der Lage sein, mit der Wirklichkeit in Konflikt zu geraten, muss falsifizierbar formuliert sein, denn eine These zu verifizieren geht immer.

Aus der Perspektive des Subjekts, geht es um Bedeutsamkeit und um verstehen, aufgrund von Erfahrung. A priori kann man also nicht sagen, dass dieses oder jenes sprachliche Konstrukt unsinnig ist. Es kommt immer darauf an, ob es Resultat einer Erfahrung ist.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert