staunen, nicht ärgern

Wo man Bücher verbrennt, da werden sie hochgeschätzt

Im Detail kann man vermutlich differenzieren und es gibt Varianten zu Veranstaltungen dieser Art. Verbrennen z.B. Privatleute den Koran, die Bibel, den Talmud oder was auch immer, dann ist das eine andere Nummer. Ob die Leute am anderen Ende der Welt dann ganze Botschaften in Asche legen, weil sie erregt sein wollen oder weil sie tatsächlich erregt sind, weiß kein Mensch, ist gerade aber auch nicht Thema. Für die staatlich und halbstaatlich orchestrierte Bücherverbrennung treffen die drei oben genannten Aussagen zu.

Bücherverbrennungen, soweit staatlich oder halbstaatlich orchestriert, verfolgen nie den Zweck, eine konkrete Meinung zu unterdrücken, denn Bücher sind für die öffentlichen Meinungsbildung komplett irrelevant. Eine Stimme, die sich kein Gehör verschaffen konnte, kann auch nicht verstummen.

Das prinzipielle Problem ist also ganz fundamental anders gelagert. Bücher können schlicht jede Meinung vertreten, das ist völlig egal, denn weder Heinrich Böll, noch Günther Grass, noch Martin Walser haben die öffentliche Meinung nachhaltig beeinflusst und wir lernen gerade, dass nicht mal die Presse das schafft. Es ist egal, wie oft mit wieviel Recht die Presse gegen die AFD wettert, unaufhaltsam steigt die AFD in der Wählergunst. Sinnreicher wäre es gewesen, einfach nicht zu berichten, allerdings hauen die Jungs und Mädels von der AFD so richtige Hämmer raus. Das gibt dann Überschriften, da muss man einfach draufclicken. Die AFD und ihre wirklich kernigen Sprüche sind einfach verkaufsfördernd.

Das tatsächlich existierende Problem ist das: Es wird kaum und immer weniger überhaupt gelesen. Nichts genaues weiß man nicht, weil es keine Zahlen gibt, aber mangels Alternativen kann man davon ausgehen, dass selbst in der Weimarer Republik mehr gelesen wurde als heute.

Will man also das Buch fördern, dann ist es am allerbesten, man verbietet es. Auch das funktioniert zwar immer mal wieder nicht, aber erzeugt wenigstens eine öffentliche Spannung. Hitlers „Mein Krampf“ z.B. war verboten, das Copyright hielt die Staatsregierung in Bayern. Die Annahme war, dass nach Auslaufen des Urheberrechts, also nach 70 Jahren, das Teil massenhaft gekauft und gelesen wird. Diese Annahme war natürlich kompletter Blödsinn, weil man das Teil schon vorher problemlos im Internet herunterladen konnte. Man hätte sich also den ganzen Trara mit der kritischen Edition sparen können. Der große „Run“ auf das Buch blieb aus. Dessen ungeachtet ist die kritische Edition, die auch online verfügbar ist, spannend und tatsächlich erhellend: https://www.mein-kampf-edition.de.

Zum Thema Bücherverbrennung schreibt Wikipedia folgendes: Eine Bücherverbrennung ist die demonstrative Zerstörung von Büchern oder anderen Schriften durch Feuer. Es handelt sich dabei um die bekannteste Form der Bücherzerstörung. Die meist öffentlich durchgeführten Verbrennungen erfolgen wegen moralischer, politischer oder religiöser Einwände gegen den Inhalt der Schrift und kamen sowohl als staatlich inszenierte oder geduldete Maßnahme als auch als Mittel öffentlichen Protestes gegen staatliche Gewalt vor. Missliebige Bücher wurden u. a. als blasphemisch, häretisch, ketzerisch, unmoralisch, obszön, aufrührerisch und hochverräterisch sowohl symbolisch als auch tatsächlich verbrannt.

Für Wikipedia ist es also der Inhalt der Bücher selbst, der zur Bücherverbrennung führt. Das kann stimmen, wenn man unterstellt, dass die Institutionen oder Gruppen ein besonderes Interesse an dem Thema haben, das in den Büchern auf eine ihnen missfallende Art und Weise behandelt wird. Für diese Institutionen und Gruppen hat dann das Thema des Buches eine hohe Bedeutung und sie sind über abweichende Meinungen informiert, wobei die Thematik für die Gesamtbevölkerung auch vollkommen irrelevant sein kann. Zumindest subjektiv wird von diesen Gruppen den Büchern eine hohe Bedeutung zugemessen. Das Buch wird also sehr ernst genommen.

Die tatsächliche Situation stellt sich, zumindest heutzutage, deutlich anders dar. Vertritt ein Buch lediglich eine Position, die innerhalb eines sehr weit gefassten Spektrums noch einigermaßen „vernünftig“ und nachvollziehbar ist, geht es in der Flut der Hundertausenden jährlich gedruckten Bücher unter. Zu einem Aufreger schaffen es wirklich nur extreme Typen wie Akif Pirinçci https://de.wikipedia.org/wiki/Akif_Pirin%C3%A7ci. Für die Massenmedien ist ein wohltemperierte Position schlicht uninteressant. Mit einer Überschrift wie „Thomas Mann und der Kampf gegen die Feinde der Freiheit“ kann man jetzt keinen Blumentopf gewinnen. Die Überschrift „Wie Akif Pirinçci mit ‚Deutschland von Sinnen‘ polarisiert“ ist da schon besser. Die Überschrift suggeriert, dass wir vor einem gewaltigen Kulturkampf stehen, der die Republik in zwei Lager teilt. Wäre Akif Pirinçci nicht durch alle Feuilletons gejagt worden, hätte ein paar Leute seine Romane gelesen und nach kurzer Zeit wäre er wieder verschwunden. Selbst extrem schwachsinnige Positionen schaffen es heute nicht mal mehr bis zur Zensur geschweige den bis zur Bücherverbrennung. Noch bei der extremsten Position bedarf es noch der Hilfe der Massenmedien, damit das kritische Erregungspotential erreicht wird.

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