Im Gegensatz zu Deutschland und Europa gibt es in den USA eine breite Debatte über Sinn und Unsinn von Eliten. Bedingt ist dies durch die Tatsache, dass die Demokratie in den USA gewaltig wackelt, woran sich auch erstmal wenig geändert hat, seit Trump aus dem Amt hinausexpediert wurde und die Meritokratie, also die Vorstellung, dass die gesellschaftlich dominierende Schicht ihre Vormachtstellung persönlich zurechenbaren Verdiensten verdankt und der Glaube, dass diese Eliten auch eine gesellschaftlich sinnvolle Funktion erfüllen, wird als Teil des Problems gesehen. Der bekannteste Kritiker der Meritokratie ist Michael Sandel. Gehen wir das mal durch und betrachten dann am Schluss die kruden Fakten. Die kruden Fakten sind, dass wir gar keinen Mangel an Eliten haben. Das eigentliche Problem ist, dass die Eliten am Ende ihrer Karriere um sehr wenige Stellen in wissenschaftlichen Einrichtungen konkurrieren. Darum geht die ganze Debatte um das Wissenschaftszeitgesetz.
Kurz erläutert Michael Sandel seine Vorstellungen hier.
Aber wie gesagt, Michael Sandel ist hier lediglich der prominenteste Vertreter einer ziemlich breiten Bewegung. Manche Kritikpunkte kennen wir auch aus der öffentlichen Debatte in Deutschland, manche sind neu und manchmal kann man sich fragen, ob manchmal kann man feststellen, dass die entscheidenden Probleme mit der Meritokratie noch gar nicht genannt wurden. Da gibt es nämlich sehr offensichtlichere Probleme. Aber wie dem auch immer sei, in den USA haben wir eine interessante Debatte, in Deutschland sind wir gesunken auf Bourdieu Niveau. Michael Sandel ist Professor für Philosophie an der Universität Harvard. Die Videos von Michael Sandel sind den verbeamteten Geistlichen in Deutschland DRINGEND zu empfehlen. Da können die lernen, was Philosphie sein kann. Also mal Weg von Platon und Co hinein ins volle Menschenleben. Dann gibt es da auch wieder eine gesellschaftliche Nachfrage und Jobs. Die ganze Argumentation ist vertreut in x videos, ich fasse das Wesentliche mal zusammen.
1) Zweifel bestehen, dieser Aspekt wird überall thematisiert, und ist einigermaßen banal, dass die gesellschaftliche Stellung, der soziale Status und die Einkommens und Vermögenssituation tatsächlich Ergebnis einer persönlichen zurechenbaren Leistung ist oder ob diese nicht viel eher von Zufällen abhängt. Jeder kennt jetzt natürlich irgendjemanden, wo dies der Fall ist und der Autor dieser Zeilen kennt sogar sehr viele Leute, wo das der Fall ist. Die Statistik erzählt aber eine andere Geschichte, was man sofort sieht, wenn man Begriffe wie soziale Herkunft Universitätsabschluss, soziale Herkunft Bildungsgereichtigkeit etc. etc.. Da die USA kein mit Deutschland vergleichbares Ausbildungssystem kennt, fokusiert Michael Sandel stark auf den Universitätsabschluss und konstatiert, dass nur ein geringer Teil der Studenten der Ivy Universities sich aus Schichten mit geringem Einkommen rekrutiert. In Deutschland relativiert sich das etwas. Ein KFZ-Meister verdient da im Schnitt mehr als jemand mit einem Hochschulabschluss in Philosophie oder Kunstgeschichte. Das Bild ist also ziemlich komplex, aber wir brauchen uns da keine Materialschlacht an Statistiken liefern. Hat Pappi ordentlich Geld, steht dem Filius und der Filia alle Wege offen, egal ob strunzdoof oder nicht. Pappa und Mama kann Nachhilfe bezahlen ohne Ende, den Filius und die Filia auf ein Internat schicken, den Numerus Clausus umgehen, indem der Filius und die Filia halt im Ausland studiert und Pappa und Mama haben auch die Connections, wenn es um Praktika in Unternehmen, Jobsuche, etc. geht und last not least, gibt es halt eine Menge Leute, die einen großen Batzen Cash erben und andere, die schlicht gar nichts erben. Wir können also, da hilft uns schon der bloße Augenschein und das geht ganz ohne Statistik, dass die Eliten sich reproduzieren. Diskutieren kann man dann nur noch darüber, ob das Eliten sind.
2) Das zweite, von Michael Sandel genannte Problem ist, dass der Begriff Elite etwas freischwebend in der Luft hängt, bzw. die Kriterien, anhand derer Eliten definiert werden, also vor allem Einkommen und, von Michael Sandel genannt, da für die USA relevant, das SAT Ergebnis. (SAT Test ist irgendein standardisierter Text, der wie auch immer die kognitiven Fähigkeiten misst.) Das Problem hierbei ist, sagt nicht Michael Sandel, der hat, wie schon Adorno, ganz prinzipielle Zweifel an der marktwirtschaftlichen Ordnung, sondern der Autor dieser Zeilen, dass diese zwei Kriterien innerhalb marktwirtschaftlicher Ordnungen irrelevant sind. Bei Adam Smith, dem Begründer der marktwirtschaftlichen Ordnung, bemisst sich der Wert eines Menschen nach dem Beitrag, den er zum Bruttosizialprodukt leistet. Diesen Beitrag leistet er bei Adam Smith zwar unter Zwang, weil die Minderleister von der Konkurrenz eliminiert werden, aber er leistet ihn. Im Kontext marktwirtschaftlicher Ordnung kann man einen IQ von 140 ganz nett finden, wenn das aber nichts beiträgt zu einer effizienteren Produktion, innovativen Produkten, besseren Logistik, etc. dann ist das eben weitgehend irrelevant. Gleiches gilt für das Einkommen. Wird dieses produktiv verwendet, also z.B. in einer quantitativen / qualitativen Verbesserung des Anlagevermögens, was wiederum das Produktionspotential erhöht, dann ist das positiv. Geht es drauf für sinnfreien Luxus, dann goutiert das Adam Smith überhaupt nicht. Der Puritaner aus Edinburgh und Glasgow war eine veritable Spaßbremse. Einkommen und IQ sind also innerhalb marktwirtschaftlicher Ordnungen erstmal so interessant wie die Schuhgröße, der Maximalpuls oder die Haarfarbe. Relevant ist das nur, wenn es einen Beitrag leistet zur Steigerung des BIP. Von der knallharten Adam Smith Position gibt es noch eine soft Variante, die stammt von Larry Wall, dem Erfinder der Programmiersprache Perl, die den Autor dieser Zeilen mal faszniert hat, die kam seiner sagen wir mal „linguistischen Ader“ entgegen: Meistens werden die Leute daran gemessen, was sie der Welt nehmen. Man sollte sie daran messen, was sie der Welt geben. Perl ist kostenlos, was der Autor dieser Zeilen natürlich sehr sympathisch fand, damals musste man nämlich noch für jeden Scheiß bezahlen. Der Autor dieser Zeilen hatte aber keine Knete und ohne die Perle wäre er richtig am Arsch gewesen. Läuft aber auf dasselbe hinaus. Der Wert eines Menschen bemisst sich, egal ob knallhart marktwirtschaftlich oder idealistisch, daran, was er der Gesellschaft zurückgibt, nicht daran, was er verknuspert. Michael Sandel kommt etwas verwickelter eigentlich zum selben Ergebnis. Wir können nicht über die Bedeutung eines Kriteriums urteilen, wenn wir uns nicht im Klaren sind über den Zweck.