„Dann stellt sich auch die Frage – und damit mache ich mir natürlich keine Freunde unter den Fremdsprachenlehrkräften –, ob wir jetzt Französisch und Spanisch mit ihren sehr nahen und verwandten Kulturen lernen müssen. Müssen wir nicht vielleicht ganz andere Sprachen lernen und ein Fremdverstehen für ganz andere Kulturen anbahnen? Das ist eine offene Frage. Natürlich hänge ich an meinen Fächern, aber ich sehe auch, was draußen in der Welt passiert.“
Falls es jemand noch nicht gemerkt hat. Der Autor dieser Zeilen ist auch der Verfasser der www.spanisch-lehrbuch.de und der www.franzoesisch-lehrbuch.de. Er hat also nicht wirklich was gegen Spanisch und Französisch und auch nicht gegen Italienisch (www.italienisch-lehrbuch.de) oder Portugiesisch (www.portugiesisch-lehrbuch.de). Über die gnadenlose Ineffizienz des schulischen Französischunterrichts kann man sich aber unterhalten. Hängen die Lehrer ad calendas graecas an den Schwarten der üblichen drei Verdächtigen, Cornelsen, Kett und Westermann, wie der Esel an der Leine, dann wird vermutlich die zweite Fremdsprache irgendwann mal abgeschafft. Allerdings ist KI da keine Lösung. Digital ist alles, was den französischen bzw. spanischen Kulturraum prägt online zugänglich. Die Unterrichtsplanung ist also ganz einfach und kann ganz einfach spaßig gestaltet werden. Man schnappt sich z.B. dieses Lied oder ein anderes der Zehntausend und geht dann den Wortschatz und die Grammatik durch.
Lied abspielen und sich z.B. den Satz schnappen: Estoy buscando un amor que quiera comprender. Den Rest des Liedes kann man dann auch noch analysieren, das geht freihändig, und der Drops ist gelutscht.
Grammatikalisch ist estar + gerundio Verlaufsform. (Kann man ein bisschen inhaltlich vertiefen. Hier hätte es auch ein schlichter Präsenz getan.) Im Relativsatz haben wir einen subjuntivo, weil es ein Wunsch ist. Je nach Klassenstufe kann man das dann anpassen. Also alle durchkonjugieren oder mal genauer analysieren, was da eigentlich verstanden werden soll. Also wer KI braucht, wenn er das tobende Leben direkt vor der Nase hat, dem ist dann wirklich nicht mehr zu helfen.
Mit der Methode kann man natürlich auch noch den Subjuntivo bei Finalsätzen durchdeklinieren.
Vamos a la cama que hay que descansar, para que mañana podamos madrugar.
Para que verweist hier auf ein Ziel, deswegen steht der subjuntivo. Die Konstruktion hay que kann man auch noch gleich mitverfrüstücken. Die Konstruktion ist etwas undurchsichtig. Da hat haber im Sinne des Vollverbes haben überlebt.
Also um einen spannenden Fremdsprachenunterricht zu machen, braucht es jetzt wirklich keine künstliche Intelligenz.
Auch dieser Abschnitt stellt einen vor Rätsel.
„Ich sehe künstliche Intelligenz als Warn- und Weckruf für den Fremdsprachenunterricht. Die Digitalisierung stellt den Fremdsprachenunterricht vor neue Herausforderungen. Wir haben aber auch die gesellschaftliche Herausforderung des Zusammenlebens verschiedener Kulturen. Da hat der Fremdsprachenunterricht seine wichtigste Rolle. Wenn Sprache das Denken formt, dann verstehen wir durch Sprache andere Kulturen besser. Diese kulturvermittelnde Rolle der Fremdsprache muss stärker in den Vordergrund rücken. Das heißt aber: weg von der Grammatiklastigkeit, weg von sinnlosen Klausurformaten, hin zu einer zeitgemäßen Prüfungskultur und hin zum Fremdverstehen als Kern des Fremdsprachenunterrichts.“
Die Tatsache, dass jetzt Millionen an digitaler Inhalte problemlos zugänglich sind, ist keine Herausforderung, weil die mühelos abrufbar sind. Die Verschiedenheit von Kulturen spielt dabei allerings überhaupt keine Rolle und hat noch nie eine Rolle gespielt. Wenn die Japaner Beethoven hören, fühlen sie sich davon angesprochen, wenn die Leute die Waldbühne in Trümmer legen, wenn die Rolling Stones „I can’t get no satisfaction“ spielen, wenn die Iraner eine Version haben von Bella Ciao, Bella Ciao, Bella Ciao, Ciao, Ciao, die Toten Hosen in Buenos Aires ein Konzert geben, dann ist es nicht die verschiedene Kultur, die die Leute anspricht, sondern die Tatsache, dass es die gleiche Kultur ist, die Leute sich unmittelbar angesprochen fühlen. Der Fremdsprachenunterricht hat keine „kulturvermittelnde“ Rolle, weil es da nix zu vermitteln gibt. Richtig ist lediglich, dass man vieles ohne ein bisschen Nachhilfe nie entdecken würde. Im Fremdprachenunterricht kann man sich höchsten darüber unterhalten, dass eine soziale Dynamik die Leute dazu bringt, Unterschiede zu hypostasieren, wo de facto keine sind.
Und ja. Natürlich sollte man eine größere Auswahl bei der zweiten Fremdsprache haben, aber irgendwie hat sich diesbezüglich auf welchen skurrilen Wegen auch immer hier nach der Wiedervereinigung durchgesetzt. Dahinter stehen eben ganz konkrete, wirtschaftliche Interessen. Ein vernünftiges Argument Russisch durch Portugiesisch zu ersetzen gibt es eigentlich, wenn man von der Tatsache absieht, dass Russisch in der ehemaligen DDR noch unbeliebter war als Französisch, nicht.