So rund 200 000 Gymnasiallehrer gibt es in der Republik. Davon sind 90 000, das sind knapp die Hälfte, Mitglieder des deutschen Philogenverbandes. Der wiederum hat zwar nichts mit Philologie zu tun, dafür vertritt er aber die Interessen der Gymnasiallehrer. Ob die Mitglieder jetzt wissen, was der Verein für eine obskure Sekte ist, sei dahingestellt, auf jeden Fall löhnen sie Monat für Monat 20 Euronen.
Der deutsche Philogenverband textet jetzt, da schaut der Philologe in den Rechner wie das Schwein ins Uhrwerk. (Zahlen vom Autor eingeführt.)
(1) Nur der Beamtenstatus sichert die Unabhängigkeit und somit die sogenannte „pädagogische Verantwortung“ der Lehrkräfte. (2) Diese Unabhängigkeit ist historisch gesehen ein wichtiges Gut. (3) Der Beamte ist eben nicht einer Partei oder einer bestimmten Regierung verpflichtet; (4) er ist der Verfassung, die demokratisch legitimiert ist, verpflichtet. (5) Gerade diese Unabhängigkeit ist für viele junge Lehramtsabsolventen ein wichtiger Aspekt bei der Einstellung in den Schuldienst.
Fangen wir mal bei (4) an. Der Beamte ist der demokratisch legitimierten Verfassung verpflichtet. (Von irrelevanten historischen Details sehen wir jetzt mal ab. Über die vom Parlamentarischen Rat im Auftrag des alliierten Kontrollrat ausgearbeitete Verfassung wurde nie demokratisch abgestimmt. Ist aber egal, das Teil ist schon in Ordnung so wie es ist.) Das Problem ist, JEDER BÜRGER dieser unserer Republik ist den Gesetzen dieser unserer Republik unterworfen. Was aber erstaunt ist (5). Besonders für junge Lehramtsabsolventen soll dieser Aspekt, also dass man sich an Recht und Gesetz halten soll, aber besonders bedeutend. Was genau soll das jetzt heißen???? Junge Lehramtsabsolventen, die ja offensichtlich ganz besonders, sehen also die Schulen als Spielball der Parteien und sind froh, dass sie nur an Recht und Gesetz gebunden sind ??? Die Schule wäre also ohne den Beamtenstatus ein Hort des Extremismus, wo z.B. finsterster Marxismus gelehrt wird und die Lehramtabsolventen sind froh, sich in den rettenden Hafen des Beamtenstatus retten zu können und so sicher sind von den finsteren Machenschaften der politischen Parteien?? Man, man, man. Da haben wir ein Demokrativerständnis und eine Weltbild bzg. der politischen Meinungsbildung über Parteien, das uns glatt an den Erfinder des Beamtenstatus, Friedrich II, erinnert.
Faktisch ist es so. Beamte dienen ihrem Dienstherrn und das ist der Staat, an dessen Spitze eine Regierung steht, die alle vier Jahre gewählt wird. Also wenn die Parteien so was sind wie Sauron, Ein Ring, sie zu knechten / sie alle zu finden / ins Dunkel zu treiben / und ewig zu binden, dann bringt der Beamtenstatus da wenig. Historisch gesehen (2) ist es so, dass der Beamtenstatus niemanden vor Mordor schützt. Mit dem Gesetz zur Wiederherstellung des Berufsbeamtentums brachten die Nazis die ganze Sekte mit einem Schlag auf Linie. Was, da kann man wohl Parallelen ziehen, die Entfernung von Beamten mit einem wie auch immer gerarten jüdischen Background, auch ganz konkret karrierefördernd war.
Der Beamteneid, § 66 BBG lautet zwar tatsächlich auf das Grundgesetz (nicht auf die Verfassung, by the way)
„Ich schwöre, das Grundgesetz und alle in der Bundesrepublik Deutschland geltenden Gesetze zu wahren und meine Amtspflichten gewissenhaft zu erfüllen, so wahr mir Gott helfe “,
aber das ändert nichts daran, dass der Beamte loyal zur Regierung stehen muss. Wenn diese z.B. beschließt, die Fremdsprachenfolge zu ändern, das Gymnasium zu reformieren, wie etwa in den achtziger Jahren geschehen, bestimmte Schulbücher zuzulassen oder eben nicht, dann hat er das umzusetzen und den Vorgaben der Kultusministerkonferenz Folge zu leisten.
Noch rätselhafter ist dann (1). Etwa 1/4 aller Lehrer sind keine Beamte. Der Passus unterstellt nun, dass bei diesen die „pädagogische Verantwortung“, was immer das sein mag, nicht gegeben ist, denn die sichert NUR der Beamtenstatus. Philologien sind methodisch sehr offen, aber es besteht dann schon ein Konsens, dass man reine Worthülsen vermeiden sollte. Unter „pädagogischer Verantwortung“ kann jetzt jeder verstehen was er will, Didaktik allgemein, den Stoff so zu präsentieren, dass er anschlussfähig ist, erkennen, wenn ein Kind Probleme hat und versuchen zu helfen, für ein Fach begeistern oder was auch immer. Allerdings sind die Grundannahmen unserer auf der Verfassung basierenden Wirtschaftsordnung, also der marktwirtschaftlichen Ordnung, Prinzipien, die mit dem Beamtenstatus, der ja Sicherheit von gradle to grave qua staatlicher Fürsorgepflicht garantiert, eben gerade nicht geeignet, zu Höchstleistungen anzuspornen bwz. Minderleister zu sanktionieren. Unsere, im Grundgesetz verankerte Wirtschaftsordnung, sieht positive und negative Sanktionen vor. Ein verbeamteter Lehrer kann die letzte Pfeife sein, fachlich, didaktisch, menschlich, kein Mensch kriegt den wieder aus der Schule, mit teilweise ernsthaften Folgen. Muss das Bildungssystem umgestellt werden, z.B. durch Einsatz digitaler Medien, dann findet das nicht statt, weil man schlicht keine Beamten zwingen kann, sich damit zu beschäftigen. Das Ergebnis können wir derzeit live in colour beobachten. Lehrer ist der einzige Beruf, bei dem man eigentlich dreißig Jahre lang denselben Quark machen kann. In der Informatik beträgt die Halbwertszeit des Wissens vielleicht zwei Jahre und der Rest der Menschheit schult wohl im Verlaufe des Lebens dreimal um.